Abfuhr für Einheitskasse – Ja zu kantonalen Vorlagen

Kantonale Mitgliederversammlung der FDP in Schänis

Im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung in Schänis haben die St.Galler Freisinnigen die Parolen für die Abstimmungen vom 28. September sowie zur Ecopop-Initiative gefasst. Mit Nein zur Einheitskasse legten die Anwesenden ein starkes Bekenntnis zugunsten der heute existierenden, qualitativ hochstehenden medizinischen Grundversorgung ab. Zur Mehrwertsteuer-Initiative resultierte nach einer kontrovers geführten Diskussion ebenfalls ein Nein. Erwartungsgemäss chancenlos blieb die Ecopop-Initiative, während die kantonalen Bauvorlagen zum Landwirtschaftlichen Zentrum Salez bzw. zur Kanti Sargans auf ungeteilte Zustimmung stiessen.

Schänis, 28.08.2014 | Parteipräsident Marc Mächler nahm die aktuelle geopolitische Lage mit den Krisen in der Ostukraine, Libyen und Syrien sowie die massiven wirtschaftlichen Probleme in einigen europäischen Ländern als Ausgangslage seiner Begrüssungsansprache. «Uns in der Schweiz geht es im Vergleich dazu geradezu paradiesisch», sagte Mächler lakonisch. Und er mahnte: «Angesichts der innenpolitischen Entwicklungen laufen wir Gefahr, unsere gute Ausgangslage in den nächsten Jahren leichtfertig zu verspielen. Viele Leute scheinen zu glauben, dass die Schweiz zum Wohlstand verdammt sei. Doch das ist ein fataler Irrtum.» Angesichts der Tatsache, dass unser Land jeden zweiten Franken im Ausland verdient, kritisierte der FDP-Präsident jene linken und rechten Kreise, welche die Schweiz um jedes Mittel vom Ausland abschotten wollen. «Die Ecopop-Initiative mit ihren rigiden Zuwanderungsbestimmungen gehört ebenso in diese Kategorie wie Aussagen, wonach die Bilateralen Verträge für die Schweiz verzichtbar seien. Und auch die teilweise Aushebelung des Völkerrechts, die heute in Simbabwe und Weissrussland praktiziert wird, ist für ein offenes Land wie die Schweiz keine Option.» Die Schweiz stehe vor der Frage, ob der Erfolg ihrer unzähligen global tätigen Unternehmen und der dadurch geschaffene Wohlstand den Interessen einiger Populisten und Wirtschaftsromantikern geopfert werden dürfe. «Für mich persönlich ist klar, dass ich diesen angeblichen Patrioten nicht hinterherlaufen werde. Kämpfen wir gemeinsam für unsere Werte, unsere liberale und offene Schweiz. Kämpfen wir für den Fortschritt!»

Abfuhr für Einheitskasse

Im Vorfeld der Parolenfassung zur Einheitskassen-Initiative kreuzten mit Nationalrätin Yvonne Gilli (Grüne, Wil) und Ständerätin Karin-Keller-Sutter (FDP, Wil) unter der Leitung von FDP-Kantonsrat Thomas Ammann (Waldkirch) zwei profilierte Vertreter beider Lager die Klingen. Gilli kritisierte den heutigen Wettbewerb der Krankenkassen im Bereich der Grundversicherung als «Pseudo-Wettbewerb». In der Grundversicherung dürfen die Krankenkassen keinen Gewinn erzielen. Niemand würde darum freiwillig in dieses Geschäft investieren, wenn damit nicht Patienten für die gewinnbringende Zusatzversicherung angeworben werden könnten, sagte Gilli. Dies funktioniere nur über Risikoselektion, welche auf die Versicherten ziele. Zudem hätte eine Einheitskasse keine Möglichkeit, kranke Versicherte loszuwerden. Damit gäbe es einen Anreiz für Prävention und qualitativ hoch stehende Behandlung, ist Gilli überzeugt.

Ständerätin Karin Keller-Sutter konterte diese Argumentation postwendend: Mit einer staatlichen Monopolkasse können die Kosten nicht gesenkt werden und die Qualität der medizinischen Versorgung wäre gefährdet. Dank der Wahlfreiheit können unzufriedene Kunden heute die Versicherung wechseln, Diese Wahlfreiheit würde bei Annahme der Initiative unterbunden. Zudem würde die Systemumstellung zwei Milliarden Franken kosten. Die FDP wolle sich stattdessen für einen gesunden Wettbewerb zwischen den Dienstleistern bei einer verbesserten Aufsicht einsetzen.

Die FDP-Mitglieder folgten der Argumentation ihrer Ständerätin und lehnten die Initiative bei zwei Gegenstimmen ab

Nein zur Mehrwertsteuer-Initiative

In einem von Parteipräsident Marc Mächler moderierten Streitgespräch erörterten Josef Müller-Tschirky, Präsident von Gastro St.Gallen, und Patrick Marty, Vertreter der IG Detailhandel Schweiz, die Vor- und Nachteile der Initiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes». Müller-Tschirky illustrierte die heutige, unbefriedigende Situation anhand eines alltäglichen Beispiels: «Sie kaufen beim Beck ein Sandwich oder ein belegtes Brötchen zum Mitnehmen und essen es zu Hause. In der Bäckerei bezahlen Sie einen Mehrwertsteuersatz von 2,5 %. Gehen Sie aber in ein Restaurant, bestellen ein belegtes Brötchen und setzen sich hin, um es zu essen, wird ein Mehrwertsteuersatz von 8 % berechnet. Das ist für die Gastrobranche diskriminierend.» Die Mitglieder sprachen sich trotzdem gegen die Initiative aus. Die Initiative bevorteilt einen einzigen Wirtschaftssektor und erzeugt jährliche Mindereinnahmen von etwa 750 Millionen Franken bei der Mehrwertsteuer. Die FDP unterstützt stattdessen einen einfacheren und tieferen Mehrwertsteuer-Einheitssatz. Das sorgt für gleich lange Spiesse für alle und senkt den bürokratischen Aufwand. Die Delegierten lehnten die Initiative mit einem Neinstimmen-Anteil von 75 Prozent ab.

Ecopop ohne Chance

Die von FDP-Kantonsrätin Marie-Theres Huser (Wagen) geleitete Diskussion zur Ecopop-Initiative, über welche am 30. November abgestimmt wird, bestritten Bruno Büeler, Mitglied des Initiativkomitees, und FDP-Nationalrat Walter Müller (Azmoos). An der  Initiative, welche eine starre Begrenzung des jährlichen Wachstums der schweizerischen Gesamtbevölkerung auf 0,2 Prozent der ständigen Bevölkerung sowie eine Verwendung von 10 Prozent des Entwicklungshilfebudgets zur Familienplanung im Ausland fordert, schieden sich schon vor dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative die Geister. Büeler war in Schänis bemüht, die aus seiner Sicht bestehenden Vorurteile rund um die Initiative zu kontern. «Die Bevölkerung der Schweiz wächst seit 2007 um jährlich 100’000 Menschen, das entspricht einer ähnliche Rate wie im Schwellenland Indien. Ein solch gewaltiges Wachstum zerstört in der Schweiz die Kulturlandschaft und drängt die verbleibenden Naturräume weltweit immer stärker zurück.» Dem Vorwurf des «Geburtenkontrolle-Imperialismus» begegnete Büeler mit dem Hinweis, dass die freiwillige Familienplanung seit 1968 seitens der UNO als grundlegendes Menschenrecht postuliert wird.

Walter Müller seinerseits geisselte das «Unschweizerische», das der Ecopop-Initiative innewohnt und stellte die Initiative in den Kontext anderer extremer Forderungen, welche die politische Agenda aktuell mitbestimmen. «Was ist los in diesem Land, in unserem Land? Was ist los in der Schweiz, in einem der wohlhabendsten Länder der Welt?», fragte er in die Runde. «Wer hat warum diesen Geist der Abkapselung, des Bewahrens, der Intoleranz gesät und will jetzt die verkrautete Ernte nicht annehmen?» Müller rief in Erinnerung, dass unser Land mit seiner Offenheit, einer liberalen Grundhaltung, neutral und souverän den Boden für die erfolgreichen Menschen in unserem Land bereitet hat. Ecopop säge stellvertretend für viele Initiativen an den Voraussetzungen, die dem Erfolg unseres Landes zugrunde liegen, so Müller. «Letztlich müssten mit der Ecopop – Initiative sogar die Heiraten mit ausländischen Partnerinnen oder Partner limitiert und die Rückwanderung von ausgewanderten Schweizerinnen und Schweizer beschränkt werden. Einfach absurd!»

Müllers Brandrede verfehlte ihre Wirkung bei den Zuhörern nicht – sie fassten bei einer Gegenstimme die Neinparole.

Kanton: Bauvorlagen unbestritten

Am 28. September wird im Kanton St.Gallen zudem über zwei Bauvorlagen abgestimmt. Sowohl der Teilabbruch bzw. die Erweiterung der Kantonsschule Sargans sowie der Ersatzneubau der Landwirtschaftlichen Schule am Landwirtschaftlichen Zentrum St.Gallen in Salez stossen innerhalb der FDP auf ungeteilte Zustimmung. Baudirektor Willi Haag (FDP, Wittenbach) legte in seinem Kurzreferat die Notwendigkeit beider Vorlagen in anschaulicher Weise dar.