Wildhaus, 24. November 2012 | Dauerhafte Innovationen sind eine der zentralen Grundbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg. Dies gilt auch für die Schweizer Nahrungsmittelindustrie, welche die Landwirtschaft als zentrales Element mit einschliesst. Im Beisein der beiden FDP-Regierungsräte Willi Haag und Martin Klöti kamen im ersten Teil der Wildhauser Tagung Vertreter der Nahrungsmittelindustrie und der Gastronomie zu Wort. Eine Podiumsdiskussion rundete die Veranstaltung ab.
Rote Linie im Kopf“ überschreiten
Der Migros-Konzern setzt mit rund 350 Produktinnovationen pro Jahr Massstäbe. Stefan Germann, Leiter Category Manager Brot/Feinbackwaren/Convenience bei Migros Zürich, skizzierte in seinem Impulsreferat die grossen Linien, die massgebend sind, weshalb Neuheiten in der Vergangenheit gut, schlecht oder gar nicht auf dem Markt angekommen sind. Eine Grundbedingung für den Erfolg sei, dass Produzenten und Vermarkter prinzipiell bereit sind, Neues auszuprobieren. Anhand eines einfachen Experiments veranschaulichte Stefan Germann in diesem Zusammenhang das, was er als „rote Linie im Kopf“ bezeichnet. „Zentral ist auch die Bereitschaft der Marktteilnehmer, auf veränderte Rahmenbedingungen – etwa die Veränderung der Kundenbedürfnisse – zu reagieren, statt auf dem eigenen Standpunkt und hergebrachten Denkmustern zu beharren“, so Germann. Innovationsprozesse mit mehreren Beteiligten seinen mit Widerständen aller Art gespickt, die von unterschiedlichen Erwartungen herrühren. „Wer auf Druck von aussen ständig mit Gegendruck reagiert, verbraucht viel Energie, ohne wirklich vorwärts zu kommen.“ Wer dem Druck nachgibt, erhält die Möglichkeit, die vorhandenen Ideen der Partner in die gewünschte Richtung zu lenken. Die Migros arbeite in der Praxis mit dieser Strategie.
Zwischen Tradition und Innovation
Claudia Graf, Geschäftsleiterin der Brauerei Sonnenbräu aus Rebstein, sieht das Geheimnis für den Geschäftserfolg des Familienbetriebs im Mix zwischen Tradition und Innovation. „Bier wird im Wesentlichen heute noch gleich hergestellt wie vor 5000 Jahren, es gilt als eines der grössten Kulturgüter und weckt beim Konsumenten ein wohliges Gefühl der Beständigkeit und der Tradition.“ Die Pflege dieser Kundenerwartung mit entsprechenden Produkten ist für einen Brauereibetrieb ebenso wichtig wie das Erschliessen von neuen Kundensegmenten, etwa der Frauen. Sonnenbräu habe es geschafft, mit der neuen Produktelinie „Diva“ eine gänzlich neue Zielgruppe zu erschliessen. „Sie müssen Ideen sammeln, investieren und Veränderungen vornehmen“, so Graf. „Haben Sie keine Angst, Neues zu wagen. Doch lassen Sie ihre bisherigen Kunden, die ihre traditionellen Produkte lieben, nicht im Regen stehen.“
Kernlose Aepfel und Ribelwhisky
In der anschliessenden Diskussionsrunde unter der Leitung von Nationalrat Walter Müller, den Referenten und Ambros Wirth (Inhaber Gaststuben zum Schlössli, St.Gallen) sowie Obstproduzent Beat Lehner wurden Erfahrungen geschildert und Fragen aus dem Publikum beantwortet. Einigkeit besteht in der Einschätzung, dass jene landwirtschaftlichen Produktinnovationen, die nahe am Markt entstehen, die grössten Erfolgschancen haben. Die Politik könne zwar in Form von Anschubfinanzierungen wichtige Impulse geben, doch bestehe die Gefahr, dass seitens des Bundes Fehlanreize geschaffen werden. Als klassisches Negativbeispiel gelten Rodungszulagen für einzelne Birnbaumsorten. „Die Folge ist, dass es im Wallis heute zu wenig eigene Williamsbirnen von ausreichender Qualität gibt, um den Bedarf der Brennereien zu decken. Ambros Wirth plädierte dafür, den Wert regionaler Produkte vermehrt in den Vordergrund zu stellen. Als Gastwirt mache er die Erfahrung, dass die Kunden bereit seien, für qualitativ hochstehende, authentische Produkte tiefer in die Tasche zu greifen.
Schliesslich wagten die Referenten noch einen Ausblick, was ihre nächsten Innovationen betrifft: so dürfen sich die Konsumenten in nicht allzu ferner Zukunft über einen Rebsteiner Ribelwhisky und über kernlose Aepfel aus Buchs freuen.