Fragliche Anpassungen beim Kanti-Aufnahmeverfahren

Vorstoss aus der FDP-Fraktion

Im amtlichen Schulblatt des Kantons St.Gallen wurde in der Dezember-Ausgabe 2023 eine Änderung des Aufnahmeverfahrens an das Gymnasium angekündigt. Die Anpassungen werfen insbesondere Fragen auf, weil sie den Druck auf die Notengebung in der Oberstufe massiv erhöhen. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund der Chancengerechtigkeit, sondern auch aufgrund der neuen Beurteilungspraxis, die seit 2020 gilt, fragwürdig. Die FDP-Kantonsräte Raphael Frei und Jens Jäger haben hierzu eine einfache Anfrage eingereicht:

Im amtlichen Schulblatt des Kantons St.Gallen wurde in der Dezember-Ausgabe 2023 eine Änderung des Verfahrens der Aufnahmen an das Gymnasium angekündigt. Künftig sollen die Vornoten aus der Oberstufe in die Beurteilung einfliessen. Massgebend sind die Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen (Durch­schnitt aus Französisch und Englisch) und Natur, Mensch, Gemeinschaft (NMG) – wobei der Durch­schnitt aus den Fächern Natur und Technik (NT) und Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG) zählt. Wer in diesen vier Vornotenbereichen einen Noten­durchschnitt von 5 und in der Prüfung einen No­tendurchschnitt von 4 erreicht, erfüllt die Aufnah­mebedingungen; wer sehr gute Vornoten mitbringt, kann auch eine weniger erfolgreiche Prüfung aus­gleichen – oder umgekehrt. Insgesamt müssen 36 von 48 möglichen Notenpunkten erreicht werden.

Diese Änderung bringt einen erhöhten Druck auf die Notengebung in der Sekundarstufe I mit sich, welcher nicht gewünscht sein kann. Denn der Kanton St.Gallen hat in der Handreichung zur Schullaufbahn, welche 2020 erschienen ist, die Beurteilung neu geregelt und äussert sich darin folgendermassen: ‘Das primäre Ziel der Beurteilungstätigkeit ist es, den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern. Darin eingeschlossen sind sowohl fachliche wie überfachliche Bereiche. In der formativen Beurteilung setzt die Lehrperson folgende Bezugsnormen pädagogisch sinnvoll ein: Lernfreude wecken und stärken durch das Aufzeigen von Lernfortschritten (individuelle Bezugsnorm), Klarheit über die Leistungserwartung schaffen und die Zielerreichung unterstützen (kriteriale Bezugsnorm) sowie durch den Austausch und den Vergleich mit anderen eigenes Wissen und Können anreichern und das Lernen anspornen (soziale Bezugsnorm).’ Die Änderungen in der Beurteilungspraxis und in den Bedingungen für die Aufnahme an ein Gymnasium stehen in starkem Widerspruch. Einerseits wird betont, dass Noten gemäss neuer Beurteilungspraxis keine reinen Zahlen mehr seien. Andererseits wird der Druck auf die Schulnoten in der Oberstufe mit der vorliegenden Anpassung des Verfahrens der Aufnahmen an das Gymnasium unnötigerweise massiv verschärft.

Wir bitten die Regierung vor diesem Hintergrund um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Teilt die Regierung die Auffassung, dass die vorliegende Anpassung eine Abschaffung der Aufnahmeprüfung in Raten ist?
  2. Wie soll dem Fakt begegnet werden, dass Schulnoten auf der Oberstufe massiv in den Fokus von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern gerückt werden, was wohl dem Bestreben der «neuen Beurteilungspraxis» zuwiderläuft?
  3. Teilt die Regierung die Auffassung, dass der Druck auf die Oberstufennotengebung stark verschärft wird?
  4. Wie sollen die Chancengerechtigkeit und Fairness bei Zuzügen aus anderen Kantonen, dem Ausland oder aus Privatschulen gewahrt werden? Könnte so der Zugang zum Gymnasium gar erkauft werden?
  5. Ist die Regierung bereit, die Bedingungen für eine Aufnahme an ein Gymnasium erneut zu überdenken und auf den Entscheid zurückzukommen?
  6. Wie will die Regierung sicherstellen, dass die Noten auf der gesamten Sek 1 Stufe im Kanton objektiv vergleichbar sind, was Voraussetzung für ein objektives und faires Aufnahmeverfahren ist?»

23.01.2024 / Frei-Rorschacherberg / Jäger-Vilters-Wangs