Das St.Galler Komitee kämpft gegen die Volksinitiative, welche Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, mindestens einen gleich hohen Steuerabzug gewähren will wie Eltern, die ihre Kinder fremdbetreuen lassen. Neu würden Steuerabzüge für etwas möglich, obwohl weder Einnahmen noch Ausgaben angefallen sind. Spenden kann man beispielsweise nur abziehen, wenn tatsächlich gespendet wurde. Genauso wenig können Arbeitnehmer, die nicht pendeln, Fahrkosten vom steuerbaren Einkommen abziehen. Die Initiative aus der Feder der SVP stellt somit die geltenden Prinzipien des Schweizerischen Steuerrechts auf den Kopf.
Immense Kosten
Mit einem Pauschalabzug für Familien, die ihre Kinder selber betreuen, enstünden bei der direkten Bundessteuer Ausfälle von rund 390 Mio. Franken. Zusammen mit den Kantonen und Gemeinden wären es gar 1.4 Mia. Franken. Die St.Galler Regierung rechnet mit Mehrbelastungen von rund 60 Mio. Franken für den Kanton. Steuerausfälle in dieser Grössenordnung würden automatisch zu schmerzhaften Sparmassnahmen – auch zulasten der Familien – führen.
Heutiges System ist gerechter…
Unabhängig von der Betreuungsfrage stehen den Eltern bereits heute in praktisch allen Kantonen Sozialabzüge für Unterhalt und Ausbildung ihrer Kinder zu, wie Alt Kantonsrätin Helga Klee (FDP) darlegte. «Die Abzüge betragen im Kanton St.Gallen für nicht schulpflichtige Kinder 7‘200 Franken und für schulpflichtige Kinder 10‘200 Franken, die Ausbildungszulagen betragen 13 200 Franken und der Abzug für Fremdbetreuung 7500 Franken.» Der seit 2011 geltende Fremdbetreuungsabzug trage dazu bei, dass Familien bei gleichem Einkommen unabhängig vom Betreuungsmodell gleich besteuert werden. «Damit wird dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nachgelebt», sagte Klee.
…und volkswirtschaftlich sinnvoll
Gut ausgebildete, Frauen sollen nicht durch steuerliche Fehlanreize von der Erwerbstätigkeit ferngehalten werden. Der Staat investiert oft hohe Beträge in die gute Ausbildung. Gut ausgebildete Frauen werden als Fachkräfte in der Wirtschaft sehr geschätzt und aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Erhaltung und Weiterentwicklung der fachlichen und beruflichen Kompetenzen gut ausgebildeter Frauen von Vorteil. «Wollen diese Fachfrauen Mütter werden, so wird die Hürde Berufs- und Familienarbeit zu vereinen enorm hoch. Unser Land braucht Kinder und gut ausgebildete Berufsleute. Ausgerechnet die SVP will mit ihrer Initiative dazu beitragen, dass noch mehr gut ausgebildete Fachkräfte im Ausland rekrutiert werden», so Klee.
Zweitverdienst ist kein Luxus
SP-Nationalrätin Claudia Friedl betonte, dass es Familien gibt, die auf ein Zweiteinkommen angewiesen sind. «Im Kanton St. Gallen werden 60 Prozent der Fremdbetreuungsabzüge von Familien mit Einkommen von weniger als 70‘000 Franken gemacht. Das spricht Bände. Die Wahlfreiheit beginnt also erst ab einem bestimmten Einkommen.» Ferner könne man nicht ignorieren, dass heute die Hälfte aller Ehen geschieden werden. « Erwerbsarbeit während der Familienphase verhindert deshalb die Armutsfalle im Scheidungsfall, denn Alleinerziehende – v.a. Frauen – sind davon akut bedroht.»
Mittelstand profitiert nicht
Die SVP-Initiative will den Grundsatz, dass die Familienform der traditionellen Einverdienerfamilie bevorzugt behandelt werden soll, in der Verfassung verankern. Schon der Ansatz, mit Hilfe der Steuerpolitik Familienpolitik betreiben zu wollen, sei ein Spiel mit dem Feuer, so Friedl. Ferner streuten die Initianten den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen, indem behauptet werde, der fiktive Steuerabzug käme den Einverdienerfamilien zugute. «Die Zahlen zeigen etwas anderes: 50% der Familien zahlen keine Bundessteuer, 60% unter 600.- Franken. Ihnen bringt ein neuer Steuerabzug nichts. Nur eine kleine Anzahl gut verdienender Einverdienerfamilien wird also von der Initiative profitieren können. Wenn die Familien aber wirklich unterstützen wollen, dann gäbe es gerechtere und zielführendere Massnahmen, zur Wahlfreiheit beizutragen, als die Unterstützung einer kleinen Gruppe von Privilegierten.»