St.Gallen, 18. September 2017 | Die Regierung hatte dem Parlament als Folge einer gutgeheissenen Motion aus dem Jahr 2015 verschiedene gesetzliche Regelungen für ein Verhüllungsverbot vorgelegt. Sie schlug vor, im Übertretungsgesetz festzuschreiben, dass künftig im Kontakt mit Behörden und Amtsstellen das Ablegen von Gesichtsschleiern verlangt werden kann; ansonsten drohe der Trägerin bzw. dem Träger eine Geldbusse. Auf ein eigentliches „Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum“ hatte die Regierung in ihrem Gesetzesentwurf explizit verzichtet – dies mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse im Kanton St.Gallen. Es bestehe schlicht kein öffentliches Interesse daran, so die Begründung. Die FDP-Fraktion hatte am Montag vergeblich versucht, die Fassung des Regierungsrats um einen Durchsetzungsartikel zu ergänzen. Anstelle von wenig wirksamen Geldbussen hätten Behörden die Möglichkeit erhalten sollen, Amtshandlungen und Dienstleistungen unterlassen zu können, sofern sich eine verschleierte Person nach erfolgter Aufforderung geweigert hätte, ihr Gesicht zu zeigen.
Symbolpolitik ohne Wert
Die am Montag in erster Lesung erfolgte Ausweitung auf ein „Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum“ macht diese Diskussion fürs Erste indes obsolet. Konkret sollen nun Personen mit einer Busse bestraft werden, wenn sie sich „im öffentlichen Raum durch Verhüllung des Gesichts unkenntlich machen und dadurch die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedrohen oder gefährden“. Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg der Verhüllungs- und Burkagegner aus den Reihen der SVP und der CVP daherkommt, erweist sich bei genauerer Betrachtung als veritables Eigentor. Anstatt praxistaugliche Massnahmen im Umgang mit verhüllten Personen zu beschliessen, hat die Mehrheit des Kantonsrats am Montag ein Gesetz gezimmert, das sich schlicht nicht vollziehen lässt. Es bedarf einiges an Phantasie, um sich vorstellen zu können, wie St.Galler Polizeibeamte den „verschärften“ Gesetzesartikel auf der Strasse anwenden sollen – von der späteren Beurteilung durch ein Gericht ganz zu schweigen.
Sicher ist, dass die FDP-Fraktion das Thema anlässlich der zweiten Lesung des Gesetzes im Rahmen der Novembersession erneut aufgreifen wird.